Wärmewende in Kommunen „Häufig wird die sozialkulturelle Dimension vergessen“ Interview mit Dr. Katharina Gapp-Schmeling und EnergieWendeBauen

12.09.22

Die Wärmeversorgung in Deutschland soll CO2-ärmer werden. Dies kann nur gelingen, wenn Energieversorgungsunternehmen und Kommunen an einem Strang ziehen. Dazu braucht es laut Professorin Katharina Gapp-Schmeling neben Anreizen auch feste Vorgaben.

energiewendebauen.de: Ist es aktuell möglich, Wärme klimaschonend und gleichzeitig wirtschaftlich bereitzustellen?

Katharina Gapp-Schmeling: Hier ist es natürlich wichtig, auch die Klimawandelfolgen im Blick zu haben. Diese sind aus volkswirtschaftlicher Sicht viel unwirtschaftlicher als vorbeugende Klimaschutzmaßnahmen. Dies sieht man zum Beispiel an der Flutkatastrophe im Ahrtal und den damit verbundenen immensen Kosten. Bei den betriebswirtschaftlichen Wärmegestehungs- und Sanierungskosten hat es seit 2021 einige Veränderungen gegeben. Wir konnten zeigen, dass klimaschonende Lösungen langfristig auch wirtschaftlicher sind, wenn man das Brennstoffemissionshandelsgesetz und die damit verbundenen Kosten berücksichtigt. Durch die Preissteigerungen für fossile Energieträger seit Ende des Jahres 2021 dreht sich die Wirtschaftlichkeit langfristig zugunsten von Lösungen, die auf regenerative Energien, wie Solarthermie, Geothermie, Biomasse, aber auch Abwärme setzen.

ewb.de: Was ist hierfür erforderlich?

Der Preis für Treibhausgasemissionen muss angemessen hoch sein. Damit werden die Folgekosten fossiler Energieträger internalisiert. Sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch macht es Sinn, Investitionszyklen zu berücksichtigen. Lokal müssen die Potenziale nicht nur verfügbar sein, sondern auch erschlossen werden. Das setzt eine Zusammenarbeit vieler Akteure voraus. Diese ist auch notwendig, damit Synergien geschaffen werden können, was wiederum die Kosten senkt. Wir reden immer über nachhaltige Energieversorgung. Häufig wird dabei die sozial-kulturelle Dimension vergessen.

„Es geht nicht nur um Sozialverträglichkeit und Bezahlbarkeit, die ja eher mit ökonomischen Faktoren zusammenhängen. Wichtig ist auch die Akzeptanz vor Ort.“ 

(Professorin Katharina Gapp-Schmeling, IZES)

ewb.de: Sie beschäftigen sich im vom BMWK geförderten Projekt KoWa (siehe Infobox) mit der Wärmewende in der kommunalen Energieversorgung. Welchen Beitrag kann die Energieforschung hier leisten?

In KoWa haben wir zukunftsfähige Wärmeversorgungskonzepte für sechs Untersuchungsgebiete erstellt.  In drei Gebieten unternehmen die Akteure vor Ort erste Umsetzungsschritte. In der Begleitung der Akteure können wir nicht nur erfahren, welche Technologien funktionieren, sondern auch, welche Abstimmungsmechanismen etabliert werden müssen. Wir haben alle Konzepte bezüglich ihrer Nachhaltigkeit bewertet. Dadurch wurde deutlich, welchen Beitrag zu den vorher definierten Zielen und den Sustainable Development Goals die jeweilige Konzepte leisten und wo gegebenenfalls noch nachgebessert werden muss. In der aktuellen Phase sehen wir, wie wichtig eine engmaschige Kommunikation vor Ort ist, um Vertrauen aufzubauen und die Zusammenarbeit über Organisationsgrenzen hinweg zu stärken. Durch die wissenschaftliche Begleitung von Umsetzungsprojekten können wir einen wichtigen Beitrag zum Praxistransfer leisten und wichtige Impulse setzen, um etwa eine einseitige Zieloptimierung zu vermeiden. Außerdem können wir Hemmnisse identifizieren und Lösungsvarianten für diese Hemmnisse erarbeiten und erproben.

„Die engmaschige Kommunikation vor Ort leistet einen wichtigen Beitrag. “ 

(Professorin Katharina Gapp-Schmeling, IZES)

ewb.de: Wie können kommunale Wärmeversorger Ihrer Meinung nach besser mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammenarbeiten?

Viele Stadtwerke sind aktiv und begreifen die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft als Chance, um innovative Konzepte zu realisieren. Allerdings braucht es dafür auch eine entsprechende Einstellung und die personellen Ressourcen. Bei einigen Stadtwerken haben wir erlebt, dass die Vertrautheit mit neuen Technologien fehlt und auch der Mut, hier in die Umsetzung zu gehen. Hier kann die Wissenschaft ansetzen: Zum Beispiel indem sie direkt mit der Praxis zusammenarbeitet, Best Practice Beispiele schnell veröffentlicht und dafür sorgt, dass Forschungsergebnisse in die Aus- und Weiterbildung integriert werden.

ewb.de: Welche Hemmnisse gibt es aus Ihrer Sicht bei der Umsetzung der Wärmewende vor Ort?

Unsere Befragungen (siehe Infobox) haben gezeigt, dass es vor allem organisatorische Hemmnisse sind, die die relevanten Akteure entlang der Wertschöpfungskette von der Erzeugung, über den Netzbetrieb, den Vertrieb und die Wärmeabnahme ausbremsen. Dabei geht es zum Beispiel um die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen verantwortlichen Stellen. Um hier Hemmnisse abzubauen, braucht es in der Kommune jemanden, der verantwortlich für die Umsetzung ist, das entsprechende Know-how besitzt und letztendlich auch Lust auf Wärmewende hat. Es müssen bewusst personelle Ressourcen geschaffen werden. Zusätzlich helfen klare Zielvorgaben und Strategien. Dies motiviert alle Beteiligten.

ewb.de: Auf Freiwilligkeit zu setzen reicht also nicht aus?

Klare Vereinbarungen sind sehr hilfreich. Besonders wichtig sind hier die Kommunen als Eigentümer der Stadtwerke. Sie können

Vorgaben und Zielstellungen schaffen, damit Stadtwerke einen Beitrag leisten können. Ein Beispiel ist das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm. Das Land Berlin hat mit vielen Berliner Unternehmen Klimaschutzvereinbarungen abgeschlossen. Den kommunalen Unternehmen wurden klare Zielvorgaben bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen bis 2030 oder 2050 gesetzt. Dies löst einen gewissen Druck bei den Unternehmen aus, auch weil diese weiterhin an der Kofinanzierung für bestimmte Projekte vom Land Berlin interessiert sind.

ewb.de: Welche Anreize sollten zukünftig geschaffen werden?

Wir brauchen hier einen Mix aus verschiedenen Instrumenten. Zum einen eher direkt wirkende Instrumente wie Mindestvorgaben für erneuerbare Energien im Gebäudebereich, Wärmeschutzstandards, Sanierungspflichten und Verbote fossiler Heizsysteme im Neubau. Dann gibt es indirekte Instrumente wie eine feste Stelle vor Ort für Klimaschutzbeauftragte und Informationskampagnen, Berichtspflichten oder die Zusammenarbeit mit der Forschung. Auf ökonomischer Ebene können Gesetze wie das Brennstoffemissionshandelsgesetz und Fördermaßnahmen unterstützen. Hinzu kommen planerische Instrumente, wie die kommunale Wärmeplanung und verpflichtende Transformationspläne.

Das Interview führte Birgit Schneider, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH, am Rande des 3. Kongresses Energiewendebauen.

Das Interview finden Sie auch auf der Website von EnergieWendeBauen:

https://www.energiewendebauen.de/news/de/interview_sozialkulturelle_dimension