Problemfeld (9) – Außenwirtschaftliche Ungleichgewichte und Abhängigkeiten

Alle Ökonom*innen und Politiker*innen streben Leistungsbilanzüberschüsse an, weil hiermit mittelfristig viele positive Effekte für die Überschussländer verbunden sind: Steigende Einkommen und Steuereinnahmen sowie die hiermit verbundenen positiven Effekte wie sinkende Schuldenquote und Potential für die Standardverbesserung mit meritorischen Gütern. Weiterhin eine sinkende Arbeitslosigkeit mit ihren positiven Folgen.

Die Ziele außenwirtschaftliches Gleichgewicht, geringe Abhängigkeiten und globale Partnerschaft werden durch das SDG 17 Partnerschaften zur Erreichung der Ziele teilweise angesprochen. Wichtige Indikatoren zur Bewertung der Trends in diesem Problemfeld sind der Außenbeitrag, die Importquote und die Transportintensität.

Außenbeitrag

Seit den 1990er haben sich die Weltmarktanteile der klassischen Industriestaaten (USA, Japan, Frankreich, UK, Italien) verringert. Allerdings haben die Länder der EU-27 mit 38 % immer noch die größten Weltmarktanteile an den globalen Exporten, gefolgt von Asien (27 %) und der FTAA (16 %).

Der Außenbeitrag drückt den Exportüberschuss als Anteil des BIP aus. China konnte seinen Export-überschuss inzwischen auf 3,0 % reduzieren. In Deutschland betrug der Exportüberschuss im Jahr 2019 6,5 %. In den Ländern der EU-27 beträgt der Überschuss insgesamt 2,6 % (UNCTAD 2020). In absoluten Zahlen hat Deutschland 2019 Waren im Wert von 1.323 Mrd. € exportiert und waren im Wert von 1.104 Mrd. € importiert. Dies beutete eine Zunahme der Exporte von 0,8 % und der Importe von 1,4 % gegenüber dem Vorjahr (Destatis 2021a). Durch die Covid-19-Pandemie sanken die Exporte um -9,1 % und die Importe um -7,0 % gegenüber dem Vorjahr.

Der Anteil der Exporte am weltweiten Handel der am wenigsten entwickelten Länder blieb im Jahr 2019 mit 1 % konstant und verfehlt die Zielvorgabe der Verdopplung. Die Entwicklungen aufgrund der Pandemie sind hier noch nicht absehbar (UN 2021: 61).

Bewertung

Oft wird außer Acht gelassen, dass einem Überschuss in dem Land A, immer die gleiche Höhe als Defizit in dem Land B gegenüberstehen muss. Daher lautet das deutsche Ziel im Stabilitätsgesetz von 1967 nicht ein positive, sondern eine ausgeglichene Leistungsbilanz (StabG: §§ 1 & 4). Derartige Defizite können (wenn vorhanden) aus den Überschüssen vergangener Jahre (in Form von Devisen) aus¬geglichen werden. Sind diese ausgegeben, müssen sich die Länder immer weiter verschulden. Diese Kredite müssen nicht nur zurückgezahlt, sondern auch die Zinsen durch künftige Leistungsbilanz¬über¬schüsse finanziert werden. Das hat in Europa und vielen Schwellen- und Entwicklungsländern zu erheblichen Problemen geführt. Ohne die in den letzten 200 Jahren einmalige drastische Zinssenkung hätte es zu Staatsbankrotten kommen können.

Abhängigkeit von Materialimport

Die Abhängigkeit von Materialimporten wird erst seit 2000 regelmäßig erfasst. Seitdem ist sie in der EU-27 von 21 % auf 24 % (2019) gestiegen. In Deutschland gab es einen Anstieg von 31 % auf 43 % (Eurostat: ENV_AC_MID). Während die Einfuhren aus Entwicklungsländern sich in Deutschland seit 2015 (bis 2019) relativ konstant zwischen 159 180 Mrd. € bewegt haben und im Jahr 2020 auf 173 Mrd. € leicht abgenommen haben sind im gleichen Zeitraum in der EU 27 die Einfuhren von 750 Mrd. € (2015) auf 920 Mrd. € (2019) gestiegen um dann im Jahr 2020 auf 850 Mrd. € zu sinken (Eurostat: SDG_17_30).

Als Graphik hier verfügbar:

SDG 17_30 EU Einfuhren aus Entwicklungsländern

Und als Datensatz hier:
https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_17_30/default/table?lang=de

Bewertung

Die Industrie- und Schwellenländer haben Produktionsstrukturen aufgebaut, die sie extrem abhängig von Energie- und Rohstoffimporten machen. Diese Abhängigkeiten führen zu ernsthaften Risiken. Sobald Preissteigerungen für die natürlichen Ressourcen ein bestimmtes Maß übersteigen (vgl. Problemfeld (3)), ist mit erheblichen wirtschaftlichen Erschütterungen zu rechnen, die bis zu einer globalen Depression reichen könnten. Für Europa sind besonders die Abhängigkeit von Materialimporten und die Abhängigkeit von Energieimporten relevant. Die materielle Importabhängigkeit gibt an inwieweit eine Volkswirtschaft auf Importe angewiesen ist. Dies wurde auch im Zuge der Covid 19 Pandemie sichtbar, als es in Deutschland an medizinischer Schutzausrüstung mangelte (Tagesschau 2020). Daraufhin sollte die europäische Unabhängigkeit gestärkt werden indem die Bundesregierung die Förderung zu Schutzmaskenproduktion in deutschen Unternehmen erweiterte (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2020).

Abhängigkeit von Energieimport

Die Abhängigkeit von Energieimporten hat in Europa und in Deutschland seit 1990 kontinuierlich zugenommen. In der EU-27 betrug sie 2019 insgesamt 60,5 % (1990 = 50 %), in Deutschland sogar 67 % (1990 = 46,5 %, Eurostat: NRG_IND_ID). Dies wird nochmals weiter aufgeteilt in die Abhängigkeit von Energieimporten nach Produkten, wobei in allen Produkten, feste fossile Brennstoffe, Öl und Mineralerzeugnisse und Erdgas, die Abhängigkeit zugenommen hat (Eurostat: SDG_07_50). Dies liegt vor allem daran, dass es in Europa nur verhältnismäßig geringe Vorkommen von fossilen Energieträgern gibt und der Anteil der erneuerbaren Energie am Endenergieverbrauch 2019 in Deutschland erst bei 17 % und in der EU27 bei 19 % lag (BMU 2020: 21).

Als Graphik hier verfügbar:

SDG 7_50 – Abhängigkeit von Energieimporten nach Produkten (sdg_07_50)

Und als Datensatz hier:
https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_07_50/default/table?lang=de

Bewertung

Der Indikator gibt den Anteil des Gesamtenergiebedarfs eines Landes an, der durch Importe aus anderen Ländern gedeckt wird. Auch hier ist der Effekt der Covid 19 Pandemie sichtbar. So sank die Abhängigkeit nach Energieimporten im Jahr 2020 in der EU 27 leicht auf 57,5 % und in Deutschland auf 63,7 %. Um die Abhängigkeit dauerhaft zu senken, ist eine 100%-Versorgung mit EE notwendig.

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Literatur

BMU – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2020): Klimaschutz in Zahlen. Berlin.

Destatis – Statistisches Bundesamt (2021a): Statistischer Bericht Außenhandel – Oktober 2021. URL: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Aussenhandel/Publikationen/Downloads-Aussenhandel/statistischer-bericht-aussenhandel-2070100211105.html (gesehen am: 06.01.2022).

Eurostat – statistisches Amt der Europäischen Union: ENV_AC_MID. ENV_AC_MID – Abhängigkeit von Materialimporten. URL: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/ENV_AC_MID__custom_313606/default/table?lang=de.

Eurostat – statistisches Amt der Europäischen Union: NRG_IND_ID. NRG_IND_ID – Abhängigkeit von Energieimporten. URL: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/nrg_ind_id/default/table?lang=de (gesehen am: 06.01.2022).

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2020): Bundesregierung fördert Schutzmasken-Produktion. URL: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/schutzmasken-foerderung-1756856 (gesehen am: 06.01.2022).

tagesschau (2021): Glasfaserausbau in Deutschland: Ziele kaum noch zu erreichen. tagesschau.de.

tagesschau (2020): Debatte um Atemmasken: Streit um Engpässe bei Schutzkleidung. tagesschau.de.

UN – United Nations (2021): The Sustainable Development Goals Report 2022.

UN – United Nations (2020): The Sustainable Development Goals Report 2020.

UNCTAD – United Nations Conference on Trade and Development (2020): Goods and services (BPM6): Trade balance indicators, annual Table summary. URL: https://unctadstat.unctad.org/wds/TableViewer/tableView.aspx.

Vincent, S. (2018): Status Review of the Updated Rural Access Index (RAI). Civil Design Solutions (2018). Final Report, GEN2033C. London.