Problemfeld (13) – Ungleiche Verteilung und Chancenungleichheiten

Die Ungleichheit von Lebens- und Entwicklungschancen verletzt das Prinzip der intergenerationellen Gerechtigkeit, sie hemmt wirtschaftliches Wachstum, verursacht gesundheitliche und soziale Probleme, fördert politische Instabilitäten und wirkt sich negativ auf die Zufriedenheit der Menschen aus (Wilkinson und Pickett 2009: 34). Dennoch ist die Verteilung von monetären und nicht-monetären Ressourcen höchst ungleich, sowohl global betrachtet als auch innerhalb von Nationalstaaten.

Die Spreizungen der Einkommens- und Vermögensverteilung sind zwar eng miteinander verknüpft, da die Höhe des Einkommens ein entscheidender Faktor bei der Vermögensbildung ist. Es kommen aber weitere Faktoren wie Erbschaften und Schenkungen, sowie die Lebensphase, in der sich ein Mensch befindet, hinzu. Die individuelle, nationale und globale Vermögensverteilung ist deshalb noch ungleicher als die Einkommensverteilung. Als Maß für die Ungleichheit wird in beiden Fällen der Gini Index verwendet. Er liegt zwischen 0 (absolute Gleichverteilung) und 100 (absolute Ungleichverteilung, eine Person besitzt das gesamte Einkommen oder Vermögen des Landes).

Einkommens-und Vermögensverteilung

Geographische Ungleichheiten zeichnen sich dadurch aus, dass Nordamerika und Europa 2019 55 % des weltweiten Reichtums besaßen, aber nur 17 % der Weltbevölkerung stellen. Die Ungleichheit innerhalb von Ländern ist noch größer. Im Durchschnitt besitzen 1 % der Bevölkerung 25-40 % des Vermögens und 10 % besitzen 55-75 % des Vermögens (Credit Suisse Research Institute 2020).

Diese negative Entwicklung führt zu gesellschaftlichen Problemen, da starke Ungleichheit zu einem weit¬gehenden Ausschluss von Teilen der Bevölkerung führt. In der Folge nimmt der gesellschaftliche Zusammenhalt ab (Gefährdung des so¬zialen Friedens) und die wirtschaftliche Entwicklung wird negativ beeinflusst (BReg 2017: 148). Der SDG_10_41 gibt die Einkommensverteilung als Verhältnis des Gesamteinkommens der 20 % der Bevölkerung mit dem höchsten Einkommen zu den 20 % mit dem niedrigsten Einkommen, als Quintil-Verhältnis an. Diese Daten decken sich mit den Daten des Gini-Index. Sowohl in der EU¬27, als auch in Deutschland steig das Quintil-Verhältnis, in Folge der Covid 19¬Pandemie 2020 an. In Deutschland von 4,89 (2019) auf 6,47 (2020), in der EU¬27 von 4,99 auf 5,24. Hier gibt es innerhalb der EU 27 starke Unterschiede. Während Rumänien einen Rückgang verzeichnete, also eine Angleichung der Einkommensverteilung, klaffte die Schere in Deutschland (2019-2020) am stärksten auseinander (Eurostat 2020: SDG_10_41).

Als Graphik hier verfügbar:

SDG 10_41 Einkommensverteilung

Und als Datensatz hier:
https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_10_41/default/table?lang=de

Bewertung

Die Covid-19-Pandemie verschärft diese Ungleichheit weiter (UN 2020: 44). Vor der Covid 19-Pandemie sank der Gini-Index für Schwellen- und Entwicklungsländer. Voraussichtlich wird sich der Gini-Index für diese Länder 2021 um ca. 6 % auf 42,7 Punkte erhöhen. Das bedeutet, dass die seit der Finanzkrise 2008 gemachten Fortschritte zur Verkleinerung der Einkommensungleichheit nicht mehr ins Gewicht fallen (UN 2021: 17, 46).

Gender Pay Gap

Ob eine Person von der globalen und nationalen Verteilungsungerechtigkeit der Bildungschancen, Einkommen, Gesundheitsversorgung und weiterer Lebenschancen profitiert oder nicht, hängt auch mit persönlichen Merkmalen wie Geschlecht, sexueller Orientierung, (sozialer) Herkunft, zugeschriebener ethnischer Zugehörigkeit, oder körperlichen und geistigen Fähigkeiten zusammen. Die ökonomische und soziale Diskriminierung gesellschaftlicher Teilgruppen ist struktureller bzw. institutioneller Natur und damit sehr viel gravierender als individuelle Diskriminierung. Personen mit mehreren Diskriminierungs¬merkmalen können auch von einer multiplen Dis¬kriminierung betroffen sein.

Ein weiterer Indikator ist die Ungleichbezahlung abhängig vom Geschlecht, der sogenannte Gender Pay Gap. In der EU-27 verdienten 2020 Frauen im Schnitt 13,0 % weniger als Männer. In Deutschland ist dieser Wert höher, hier verdienten Frauen im Schnitt 18,3 % weniger als Männer. Nur Lettland (22,3 %), Estland (21,1 %) und Österreich (18,9 %) weisen höhere Werte auf. Den niedrigsten Wert weist Luxemburg vor, mit lediglich 0,7 % (Eurostat: SDG_05_20).

Als Graphik hier verfügbar:

SDG 05_20 Geschlechtsspezifischer Lohnunterschied

Und als Datensatz hier:
https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_05_20/default/table?lang=de

Bewertung

In Deutschland lag der Gender-Pay-Gap 2020 bei 18,3 % weniger Gehalt (durchschnittlichen Brutto-stundenverdienst) für weibliche Beschäftige im Vergleich zu männlichen Beschäftigten. Dies hat vielfältige Ursachen, so unterscheiden sich Frauen und Männer zum Beispiel in ihren Erwerbs-biografien und der Wahl der Berufsfelder. In der EU 27 lag der Durchschnittswert 2020 bei 13,0 %. Deutschland besetzt damit im EU-Ranking den viertletzten Platz. Der Zielwert für 2030 in Deutschland liegt bei einer Senkung des Gender-Pay-Gap auf 10 % (BReg 2017: 99). Die Reduzierung des Gender-Pay-Gaps um 2 % innerhalb von zwei Jahren mag einen Fortschritt darstellen, allerdings sind weitere Maßnahmen von dringend nötig, um die Einkommensdifferenz zu reduzieren. An dieser Stelle sollte ebenfalls das Ziel der Bundesregierung hinterfragt werden, die als Zielsetzung eine 10 %ige Einkommensdifferenz zwischen weiblichen und männlichen Beschäftigten für 2030 offensichtlich als akzeptabel erachtet. Die Nachhaltige Ökonomie wird sich daher auch mit der Frage beschäftigen müssen, wie es jungen Eltern ermöglicht werden kann, auch mit Kindern eine Vollzeittätigkeit auszuüben. Weiterhin muss es das Ziel sein eine gleichberechtigte (Kinder-)Care-Arbeit gesellschaftlich zu erreichen.

Schul-und Ausbildungsabbrecher*innen

Ungleiche Bildungschancen drücken sich im SDG 4: Frühzeitige Schul- und Ausbildungsabgänger, nach Staatsangehörigkeit aus. Im Schnitt der EU-27, nehmen 8,6 % (2020) der 18 24 jährigen EU Bürger*innen an keiner allgemeinen oder beruflichen Bildung teil. Der Anteil der Nicht-EU Bürger*innen die nicht an Bildung teilnehmen liegt bei 28,1 %. Deutschland liegt in diesem Durchschnitt, während 7,3 % der Deutschen 10 24 jährigen nicht an Bildungsangeboten teilnehmen, liegt der Anteil der Nicht-EU-Bürger*innen die in Deutschland nicht an Bildung teilnehmen bei 29,0 %. In Italien ist der Anteil der Nicht-EU-27-Bevölkerung der nicht an Bildung teilnimmt mit 40,1 % am höchsten, jedoch nehmen auch 11,0 % der Italiener*innen nicht an Bildungsangeboten teil (Eurostat: SDG_04_10A).

Bewertung

Durch die pandemische Covid-19 Situation wurden die in den Jahren zuvor schleppend erreichten Fortschritte völlig ausgebremst. Zwei Drittel der Schulkinder sind nach einem Jahr Krise durch vollständige oder teilweise Schulschließungen betroffen. Durch die Krise werden die bestehenden Bildungsungleichheiten weiter verschärft und für das Erreichen des Ziels der Bildungsgleichheit im Jahr 2030 braucht es außergewöhnliche Maßnahmen, um Lerndefizite auszugleichen (UN 2021: 34). Für die Aus- und Weiterbildung sind durch die Covid 19 Pandemie weitere hemmende Aspekte in den Fokus gerückt: die Verfügbarkeit sowie der Umgang mit digitalen Medien (bspw. beim Übergang auf kontaktlosen Unterricht). Dennoch liegt der Anteil der Erwachsenen und Jugendlichen mit Grundkenntnissen der Informations- und Kommunikationstechnologie (bspw. Versand eines E-Mail Anhangs) bei unter 40 % (UN 2021: 35). Grundsätzlich sank der Anteil der 18-24-jährigen Bevölkerung in der EU 27 die an keiner allgemeinen oder beruflichen Bildung teilnehmen, jedoch trifft dies nur für die Staatsangehörigen der EU-27 Länder zu. Der Anteil der Bevölkerung die an keiner allgemeinen oder beruflichen Bildung teilnehmen ohne eine EU 27 Staatsangehörigkeit stieg jedoch in einigen Ländern an (Eurostat: SDG_04_10A). Da Bildung einer der wichtigsten Faktoren für den Aufstieg und der Integration der Migranten ist, ist die heutige Situation inakzeptabel, die Nachhaltige Ökonomie muss diskutieren wie nach dem Konzept des Förderns und Forderns diese Situation verbessert werden kann.

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Literatur

Bundesregierung (2017): Neuauflage 2016. Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie.

Credit Suisse Research Institute (2020): Global wealth report 2020.

Eurostat – statistisches Amt der Europäischen Union (2020): SDG_10_41. SDG_10_41 – Einkommensverteilung – Quintilverhältnis. URL: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_10_41/default/table?lang=de.

Eurostat – statistisches Amt der Europäischen Union: SDG_04_10A. SDG_04_10A – Frühzeitige Schul- und Ausbildungsabgänger, nach Staatsangehörigkeit. URL: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_04_10a/default/table?lang=de.

Eurostat – statistisches Amt der Europäischen Union: SDG_05_20. SDG_05_20 – Gender pay gap in unadjusted form. URL: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_05_20/default/table?lang=en.

UN – United Nations (2021): The Sustainable Development Goals Report 2022.

Wilkinson, R.; Pickett, K. (2009): Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind. Gleichheit ist Glück. Berlin.