Problemfeld (7) – Mangelnde Befriedigung der Grundbedürfnisse

Trotz aller Kritik am Wohlstandsmaßstab, ist das Wachstum des BIP immer noch ein von Politiker*innen und der Mehrheit der Bevölkerung als wichtig empfundener Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Neben einem Trend zur Stagnation in den Industriestaaten hängt das auch mit den Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/09 sowie der COVID-19-Pandemie zusammen. Die UN gehen davon aus, dass die Welt vor der größten Rezession (vielleicht Depression) seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre steht. Ein erheblicher Rückgang der Einkommen, Massenarbeitslosigkeit und eine starke Verschuldung von Staaten und privaten Haushalten könnten die Folge sein. So befürchtet die UN, dass während der Pandemie allein in der Schattenwirtschaft 1,6 Mrd. Menschen ihre Existenzgrundlage verlieren könnten (UN 2020: 13).

Stellvertretend für die mangelnde Befriedigung der Grundbedürfnisse werden das BIP pro Kopf, die Zahl der unter Fehl- & Mangelernährung leidenden, siehe Problemfeld(12) , Zugang zu Sanitär-versorgung, siehe Problemfeld (10), Zugang zu sauberer und bezahlbarer Energie, Zugang zu bezahlbarem Wohnraum untersucht.

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Jahr

Das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf ist von ca. 5.470 USD (1990) auf 17.498 USD (2019) gestiegen. Allerdings unterlag es im Laufe der Jahre Schwankungen und hat eine sehr große Streubreite. Den höchsten Wert erreichte es 2013 mit über 161.900 USD pro Kopf in Macao. Den niedrigsten erfassten Wert gab es im Jahr 1992 in Mozambique mit 436 USD pro Kopf. In Deutschland ist die durchschnittliche Wertschöpfung pro Kopf von 36.640 USD im Jahr 1990 auf 53.815 USD im Jahr 2019 gestiegen (The World Bank Group 2020: NY.GDP.PCAP.PP.KD). Nach der Weltwirtschafts¬krise von 2008/09 liegt die weltweite Wachstumsrate zwischen 2011 und 2019 jeweils zwischen 2,5 und 3,5 %. Das ist vergleichbar mit der Entwicklung vor der Krise. Das Wachstum der Industriestaaten liegt im gleichen Zeitraum bei 1,9 % (The World Bank Group 2020: NY.GDP.MKTP.KD.ZG).

Dies berücksichtigt noch nicht die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, die erst langsam sichtbar werden. So sank das weltweite BIP 2020 um -3,4 %. In der EU-27 sank das BIP um 6,0 %. Die größten Rückgänge, mit bis zu -9,9 % wurden in Latein Amerika und den kleinen Pazifischen Staaten registriert (The World Bank Group 2020: NY.GDP.MKTP.KD.ZG). In Deutschland sank das BIP im 2. Quartal 2020 um -11,3 %, 2021 stieg das BIP wieder um 2,7% (Destatis 2022).

Das reale BIP pro Kopf der EU-27 ist seit der Jahrtausendwende von 22.460 € auf 28.070 € (2019) gestiegen. In Deutschland stieg es im gleichen Zeitraum von 28.910 € auf 35.980 €. Durch die Covid 19-Pandemie sanken diese Werte im Jahr 2020 jedoch, für die EU 27 auf 26.380 € und für Deutschland auf 34.310 € (Eurostat: SDG_08_10).

Als Graphik hier verfügbar:

SDG 08_10 Reales BIP

Und als Datensatz hier:
https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_08_10/default/table?lang=de

Bewertung

In Deutschland sank während der Covid-19-Pandemie das BIP stärker als in der Finanzkrise 2008/2009, erholte sich aber auch schneller (Destatis 2021b). Die Worldbank gibt an, dass sich die weltweite Wirtschaft auf einem Weg der Erholung befindet. Weltweit wird 2021 eine Wachstumsrate von 5,6 % erwartet, wobei sich das Level des weltweiten BIPs unterhalb der vor pandemischen Erwartungen entwickelt. Hier treten aber auch weltweite Unterschiede auf, während z.B. in den USA Wachstums¬raten von 6,8 % erwartet werden, wurden die Erwartungen in Low-Income-Ländern auf 2,9 % verringert. Dies liegt auch an der Verfügbarkeit von Impfstoffen gegen die Covid-19-Pandemie (World Bank Group 2021). Nach einem starken Rückgang des globalen BIP berichtet auch die UN über eine Erholung und erwartet für das Jahr 2022 ein steigendes BIP von 3,1 %. Für viele Länder bedeutet dies dennoch erst im Jahr 2022 oder 2023 eine Rückkehr zu einem vergleichbaren Niveau von vor 2020 (UN 2021: 15).

Zugang zu sauberer und bezahlbarer Energie

Der Zugang zu sauberen Energien zeigt sich am Anteil erneuerbarer Energien (EE) am Bruttoendenergieverbrauch.

In der EU 27 hat sich der Anteil EE am Bruttoendenergieverbrauch von 9,6 % im Jahr 2004 auf 20 % im Jahr 2020 verdoppelt. In Deutschland ist in diesem Zeitraum der Anteil von 6,2 % (2004) auf 19,6 % gestiegen. Deutschland hat also aufgeholt. Insbesondere im Strombereich wird bereits fast die Hälfte (2020: 45,3%) aus EE gedeckt (BMWi 2021: 12). Beim Wärmeverbrauch ist der EE-Anteil bisher deutlich geringer (2020: 15,6%; BMWi 2021: 18).

Während vor der Covid 19 Pandemie der Anteil der Bevölkerung, der nicht in der Lage ist die Unterkunft angemessen warm zu halten, stetig sank, ist dieser Anteil im Jahr 2020 gestiegen. In der EU-27 von 6,9 % (2019) auf 8,2 % (2020) und in Deutschland von 2,5 % auf 9 % (Eurostat: SDG_07_60).

Als Graphik hier verfügbar:

SDG 07_60 Bevölkerung, die nicht in der Lage ist, die Unterkunft angemessen warm zu halten

Und als Datensatz hier:
https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_07_60/default/table?lang=de

Bewertung

Weltweit stieg der Zugang zu Elektrizität stetig und erreichte im 90 % der Weltbevölkerung im Jahr 2019. Jedoch sind immer noch 759 Mio. Menschen, vor allem in der Sub-Sahara-Region ohne Stromversorgung. Dir Covid 19 Pandemie könnte diese Entwicklung in einigen Ländern umkehren. Die UN schätzt, dass ca. 25 Mio. Menschen, die bereits Zugang zu Elektrizität hatten, den Zugang durch Bevölkerungswachstum und steigende Armut wieder verlieren werden. Weitere 85 Mio. Menschen, vor allem in Entwicklungsländern in Asien, werden sich Elektrizität aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr leisten können (UN 2021: 41).

Zugang zu bezahlbarem Wohnraum

Auch das Recht auf „angemessenes Wohnen“ ist im UN-Sozialpakt verankert. Neben Obdachlosen und Straßenkindern bleibt dieses Recht auch einer stetig wachsenden Zahl von Slumbewohnern vorenthalten. Bewohner*innen eines Slum leiden unter folgenden Mängeln in der Infrastruktur: mangelhafte Bausubstanz, Überbevölkerung, mangelnder Zugang zu sauberem Wasser und zu sanitären Einrichtungen, siehe Problemfeld (10), und anderer Infrastruktur sowie unsicherer Bewohner*innenstatus (UN-Habitat 2020: 25 ). Der Anteil der Stadtbewohner der in Slums lebt stieg im Jahr 2018 auf 24 % (UN 2020: 16).

In vielen europäischen Städten steht nicht ausreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung. Rund 14,8 % der nicht armutsgefährdeten Bevölkerung in der EU 27 leiden im Jahr 2019 unter Überbelegung des Wohnraums, in Deutschland sind es 5,5 %. Während dieser Anteil in der EU 27 seit 2011 stetig sank, stieg dieser Wert in Deutschland seit 2015 wieder an (Eurostat: SDG_11_10).

Als Graphik hier verfügbar:

SDG 11_10 Überbelegungsquote

Und als Datensatz hier:
https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_11_10/default/table?lang=de

Bewertung

Während der Covid-19-Pandemie konnte sowohl in der EU 27 (auf 15,5 %), als auch in Deutschland (auf 7,6 %) ein Anstieg der Bevölkerung beobachtet werden denen nicht ausreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht (Eurostat: SDG_11_10). Auch weltweit hat die Pandemie Haushalte mit niedrigem Einkommen proportional stärker belastet wodurch die Anzahl der Menschen die in Slums leben weiter erhöht hat (UN 2021: 48).

Problemfeld (6)Problemfeld (8)
Links zu den nächsten Problemfeldern

Literatur

Bundesamt für Naturschutz (2021): Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“. URL: https://www.bfn.de/themen/monitoring/indikatoren/indikator-artenvielfalt-und-landschaftsqualitaet.html (gesehen am: 05.08.2021).

BMU – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2020): Klimaschutz in Zahlen. Berlin.

BMWi – Bundeministerium für Wirtschaft und Energie (2021): Nationale und internationale Entwicklung im Jahr 2020. Erneuerbare Energien in Zahlen. Berlin.

Destatis – Statistisches Bundesamt (2022): Deutsche Wirtschaft erholt sich trotz andauernder Pandemie und Lieferengpässen. Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2021 um 2,7% gestiegen. Pressemitteilung 020. URL: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/01/PD22_020_811.html;jsessionid=849C9FC29BE15AC31A9761DF1AAFE096.live722 (gesehen am: 27.01.2022).

Destatis – Statistisches Bundesamt (2020a): Nr. 416. 8 Millionen Niedriglohnjobs im Jahr 2018.

Destatis – Statistisches Bundesamt (2020b): Nr. 338. Weiterhin hoher Anteil von Ausländerinnen und Ausländern atypisch beschäftigt.

The World Bank Group (2020): NY.GDP.PCAP.PP.KD. World Development Indicators – GDP (constant 2010 USD). URL: https://databank.worldbank.org/reports.aspx?source=2&series=NY.GNP.PCAP.PP.CD&country=#.

The World Bank Group (2020): NY.GDP.MKTP.KD.ZG. World Development Indicators – GDP growth (annual %). URL: https://databank.worldbank.org/reports.aspx?source=2&series=NY.GDP.PCAP.PP.KD&country=#.

TUN – United Nations (2021): The Sustainable Development Goals Report 2022.

UN – United Nations (2020): The Sustainable Development Goals Report 2020.

UNCTAD – United Nations Conference on Trade and Development (2020): Goods and services (BPM6): Trade balance indicators, annual Table summary. URL: https://unctadstat.unctad.org/wds/TableViewer/tableView.aspx.

World Bank (2020): DT.DOD.DLXF.CD. External debt stocks, long-term (DOD, current US$). URL: https://databank.worldbank.org/source/world-development-indicators#.

TWorld Bank Group (2021): The Global Economy: on Track for Strong but Uneven Growth as COVID-19 Still Weighs. World Bank Group.